Samstag, 16. September 2017

Die Gilde der Rose III -Hexenlehre-

Huhu ihr Nachtschwärmer,
viele Leserinnen und Leser fragen mich, wann endlich Teil III kommt. Ich arbeite intensiv an dem Buch. Aber es fehlen mir immer noch ca. 100 Seiten. Ich hoffe trotzdem den anvisierten Veröffentlichungszeitpunkt (November 2017) einhalten zu können.
Hier lüfte ich schon einmal das große Geheimnis um das Cover und stelle euch einen Textschnipsel vor.
Habt einen wundervollen Abend.
Eure Tali

Textschnipsel:
Dortmund anno 1561

K A P I T E L 1

 

»Da, was ist das?«
»Was meinst du?«
»Siehst du es denn nicht? Da vorne. Schau genau hin. Die Luft flimmert in vielen Farben. «
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Da ist ein Weib. Sie kam aus dem Nichts. Horst, das ist eine Hexe!«
Immer noch schwindelig von der mehr oder weniger unfreiwilligen Zeitreise nahm ich Männerstimmen wahr. Ich muss weg!, riet mir mein Instinkt und trieb mich zur Flucht an.
Ohne nach rechts oder links zu schauen, rannte ich los. Die Rufe kamen näher. Ich wagte es nicht, mich nach ihnen umzublicken. Im Geiste sah ich eine pöbelnde Meute mit Mistgabeln und Knüppeln. Wie viele Verfolger es wirklich waren, wusste ich nicht, und eigentlich wollte ich es auch nicht wissen. Ich will, dass sie sofort verschwinden! Aber ich konnte es mir noch so sehr wünschen, sie blieben mir dicht auf den Fersen, was ich an ihrem heftigen Atem vom schnellen Lauf deutlich feststellen konnte.
Wo bin ich? Ich kannte mich in meiner Heimatstadt doch aus, aber für eine Orientierung blieb mir keine Zeit. Ich muss Magie anwenden, dachte ich noch, da verschwand der Boden unter mir und ich fiel ins Leere.
Mein Fall dauerte nicht lange, denn ich schlug auf hartem Lehmboden auf, und ehe ich mich aufrappeln und an eine weitere Flucht denken konnte, hörte ich eine tiefe Männerstimme: »Ha! Wir haben die Hexe.«
Das fängt ja gut an! Klar war ich für sie eine Hexe. Ich war direkt vor ihnen aus dem Nichts kommend aufgetaucht. Das musste in ihren Augen Magie sein. Ich konnte es ihnen nicht einmal verdenken.
Ob Großmutter Katharina ahnte, was sie mir da gerade angetan hatte? Wahrscheinlich nicht. Sie würde mir doch nie so etwas Furchtbares antun. Ich erinnerte mich an ihr merkwürdiges Verhalten, als sie mich ohne zu fragen einfach in das Zeitportal geschubst hatte. Wo bin ich hier nur wieder hineingeraten?
Jemand schob das restliche Stroh zur Seite. Es hatte die Falle, in die ich geradewegs gestürzt war, abgedeckt. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich immer noch mein kurzes Nachthemd trug. Ich sprang auf die Beine und zog es nach unten, so gut es ging. Was werden die Kerle mit mir anstellen? Ich spürte mein Herz in der Brust jagen, und mein Geist gaukelte mir schreckliche Bilder von Folterszenen vor.
Einer der Männer griff nach meinem Arm und ließ mich schmerzerfüllt aufkeuchen. Es tat total weh, als er mich aus dem Loch riss. Am liebsten hätte ich mich gegen ihn gewehrt, doch wie ich feststellen musste, standen mir zwei Kerle gegenüber. Ich machte mir nichts vor. Gegen sie hätte ich keine Chance. Es erinnerte mich an die Situation in Michels ‚Bude‘, die ich mit den Soldaten der NWO erleben musste.
»Wen haben wir denn da?«
»Ich habe sie noch nie vorher gesehen. Sie stand da plötzlich mitten im Weg.«
»Ich habe sie auch noch nie gesehen. Wer bist du?«, fragte er mich, während er nach meinem anderen Arm griff und mich fest schüttelte.
Was soll ich ihnen sagen? Ich versuchte an ihrer Kleidung zu erkennen, in welcher Epoche ich gelandet war. Sie sahen aus wie Bauern, ähnlich wie zu meiner Zeit, das war das Jahr des Herrn 1616.
»Du sollst sagen, wer du bist!« Das Gesicht des Mannes, der mich aus dem Loch gezerrt hatte, kam mir jetzt sehr nah, fauliger Atem schlug mir entgegen. Seine Kleidung und sein Körper verströmten ebenfalls einen ekelhaften Mief. Unwillkürlich musste ich an Helge Schappner denken, der mich damals auf den Scheiterhaufen gebracht hatte.
»Ich bin ...«, stotterte ich und suchte immer noch nach einer Antwort auf die Frage in meinem Kopf.
»Es ist doch egal, wer sie ist. Schau sie dir doch an, Ottmar. Sie trägt eindeutig ein Metzengewand und wurde aus ihrem Dorf gejagt.«
»Aus Köln«, erklärte ich rasch. Sie sollten ruhig glauben, dass ich eine aus meiner Stadt verjagte Hure war. Ich musste nur mitspielen. 
Sie sprechen auch ähnlich, wie ich es gewohnt bin. Einige Wörter klangen anders, aber das kam vielleicht auch von der Herkunft der Männer. Ich vermutete, dass ich noch weiter in die Zeit zurückgewandert war. Aber ich wagte es auch nicht, die Kerle nach der tatsächlichen Jahreszahl zu fragen.
»Dann bist du aber schon weit gelaufen, Hexe. Du siehst so sauber aus.«
Ehe ich mir eine plausible Antwort einfallen lassen konnte, tat es der andere Mann. »Das ist Hexenkunst. Aus Köln, jaja. Sie kam aus dem Nichts. Brauchst du noch mehr Beweise?«
Damit war mein Urteil besiegelt. Sie fesselten mir die Hände hinter dem Rücken. Der grobschlächtige Kerl, der Ottmar hieß, schulterte mich. Seine Pranke landete auf meinem Po, und ich fing an zu zappeln, sodass er Probleme bekam, loszulaufen. Dem Himmel sei Dank trug ich eine Unterhose, was dem Kerl befremdlich erscheinen musste. Dieses Kleidungsstück dürfte es zu dieser Zeit noch nicht gegeben haben. Ehe ich mich versah, klatschte er mir so fest auf meinen Hintern, dass ich laut aufschrie. Es brannte wie Feuer, ich biss verzweifelt die Zähne zusammen und kämpfte gegen die Tränen an, die sich bereits ihren Weg bahnten.
»Halt still, Hexe, sonst machen wir hier an Ort und Stelle gleich kurzen Prozess mit dir«, grollte er.
Wo wollen sie mich hinbringen? In diesem Moment vermisste ich Blitz und Donner, meine beiden Zaubervögel, die meistens zur Stelle waren, wenn ich in dumme Situationen geriet. Meistens, wohlgemerkt, manchmal glänzten sie aber auch durch Abwesenheit, wie jetzt gerade zum Beispiel. Ich war mutterseelenallein mit diesen ungehobelten Burschen und befürchtete das Schlimmste. Die Pranke von dem Kerl legte sich auf meinen immer noch brennenden Po, und ich blieb, so gut ich es vermochte, still über seiner Schulter hängen.
Unter mir zog sich ein staubiger Pfad wie ein unaufhörliches Band hin zu einem mir unbekannten Ziel, welches die Männer ansteuerten. Hin und wieder hob ich den Kopf an, um die Umgebung zu erkennen. Aber die endlosen Felder und Bäume, an denen wir vorbeigingen, sagten mir nichts. Alles war mir fremd. Als ich erneut den Kopf hob, schlug mich Horst. Sofort drückte ich mein Gesicht gegen Ottmars Schulter, um nicht noch weitere Schläge zu riskieren. Der Gestank, der mir entgegenschlug, war ähnlich wie der seines Kumpanen.
Wir hielten abrupt, und der unangenehme Griff an meinem Po verstärkte sich, sodass ich mich innerlich versteifte. Sie sprachen mit zwei anderen Männern und brüsteten sich, eine Hexe gefangen zu haben. Dann flüsterten sie noch etwas, das ich aber leider nicht verstehen konnte. Nur ihr dreckiges Gegröle zeigte mir eindeutig, dass es etwas mit mir zu tun haben musste. Ich betete zu der höheren Macht, dass ich bald am Ende meiner unfreiwilligen Beförderung ankommen würde.
»Ab ins Verlies mit ihr zu den anderen! Ich sperre euch auf«, zischte eine Stimme, die ich vorher noch nie gehört hatte.
Ich hörte, wie sich ein schweres Eisentor öffnete. Wahrscheinlich sind wir in einer Burg, kam mir die Idee. Der Mann, über dessen Schulter ich immer noch wie ein nasser Sack hing, setzte sich wieder in Bewegung. Wir überquerten eine Brücke, dann schlüpfte der Kerl durch eine niedrige Tür. Meine Schulter schrappte an dem rauen Mauerwerk, und ich schürfte mir die Haut auf. Allerdings konnte ich mir keine Gedanken darüber machen, denn der Geruch von altem Gemäuer legte sich stark auf meine Lungen, sodass ich im ersten Augenblick glaubte, ersticken zu müssen.
Der Kerl stapfte eine enge Wendeltreppe nach unten und warf mich auf den Boden. Ich konnte einen kurzen Aufschrei nicht unterdrücken.
Mein Blick fiel auf zwei an den Wänden angekettete Frauen, die auf gammeligem Stroh mehr oder weniger hockten.
Sofort war die Erinnerung an meine Gefängniszelle im Blücherturm wieder präsent. Der Geruch war mir auf unheimliche Art und Weise vertraut. Ein Schauer lief mir bei der Erinnerung über den Rücken. Wo bin ich hier nur gelandet? In dieser Zeit, an diesem Ort, soll mein Auserwählter auf mich warten? Mein Engel? Ob Großmutter Katharina sich da nicht geirrt hatte? Ich wusste nur eins: Ich befand mich in einem riesigen Dilemma.
Der Typ visierte mich mit einem hämischen Grinsen an. Ehe ich mich versah, packte er meinen Arm und kettete mich ebenfalls an einen freien Platz der dreckigen Wand an.
»Hier passt du gut hin. Eine Hexe und eine Metze haben wir schon. So, wie es den Anschein macht, bist du eine Metzenhexe. Passt doch sehr gut. Na, egal. Auf jeden Fall wirst du gut brennen.«
Ich wandte mein Gesicht von ihm ab, um ihm keine Emotionen zu zeigen. Er sollte nicht sehen, wie groß meine Angst war. Meine Arme schmerzten jetzt schon von den Ketten, was bedeutete, dass es bald schlimmer werden würde, oder aber, dass ich mich an die permanenten Schmerzen gewöhnen würde, was das Beste in meiner Situation wäre.
Die Tür oben schloss sich, und ich war allein mit den zwei Frauen, die mir als Hure und Hexe vorgestellt wurden.
»Ich dachte, ihr wärt Hexen. Warum könnt ihr uns dann nicht freizaubern?«, erklang eine zischende Stimme von meiner rechten Seite.
Ich drehte den Kopf in die Richtung und sah nur wirre, lange braune Haare, welche ihr Gesicht verdeckten. Die Frau trug ein Ketzergewand, wie es Prostituierte tragen mussten. Das war also die ‚Hure‘. Ich wusste nicht, ob sie mich unter dem vollen Haar überhaupt sehen konnte. Den Spruch von ihr fand ich ziemlich daneben. Warum sollten die andere Frau und ich wirklich Hexen sein? Schließlich wurden viele unschuldige Frauen, die nichts mit Magie am Hut hatten, in den vielen Jahrhunderten als Hexen verurteilt und hingerichtet.
»Das Gleiche könnten wir dich fragen.«
Ich blickte zu der anderen Frau, die an der mir gegenüber liegenden Wand angekettet war. Sie hatte die ganze Zeit ihr Gesicht auf die Brust gepresst, sodass ich anfangs auch nur ihre rot-blonden, lockigen Haare erkennen konnte. Nun hatte sie den Kopf leicht angehoben und sah die Frau wütend an.
Ja, ich hatte mich nicht geirrt. Ihre Miene war angewidert von dem, was sie sah, und ich hielt dies für ziemlich vermessen in Anbetracht unserer gemeinschaftlichen schrecklichen Situation.
»Hey«, versuchte ich dieses anfängliche Streitgespräch im Keim zu ersticken.
Sofort sahen mich beide an. Ich konnte bei der Dame rechts von mir ein dunkles Auge durch den Haarschleier erkennen.
»Warum sollen wir uns streiten? Wir sitzen doch alle im selben Boot. Vielleicht sollten wir uns erst einmal vorstellen. Wie heißt du?«, fragte Ich die ‚Hure‘, die tatsächlich bei meinen Worten angefangen hatte, leise zu knurren.
»Apollonia Schmidt.«
»Apollonia, ein schöner Name«, versuchte ich die Frau zu beruhigen, denn sie strahlte regelrechte Aggressivität aus.
»Ich bin ...«
»Rose«, kam es von der anderen Frau, die mir geradewegs gegenüber saß, und ich verstand in diesem Moment die Welt nicht mehr. Woher weiß sie das? Das kann hier niemand wissen. Wahrscheinlich hatte ich sie vollkommen verdattert angesehen. Ihre grau-grünen Augen spiegelten ebenfalls Fassungslosigkeit. Dann verzog sich ihr voller Mund mit den fein geschwungenen Lippen zu einem überheblichen Lächeln.